Und dann kam Corona – #1

von | 12.12.2020 | Blog

Umgang in Teams mit Unsicherheit und Kommunikation in Krisenzeiten

Drei Monate danach

Inzwischen hat sich Einiges beruhigt, die harten Lockdownvorschriften sind abgemildert, Verbote geöffnet – und … eine grundlegende Unsicherheit bleibt:

  • Wie sieht meine und unsere Zukunft aus? Privat und im Betrieb?
  • Kommen wir aus der Kurzarbeit raus oder führt sie ins dornige Gelände von harten Einschnitten, Restrukturierungen und Jobabbau?
  • Kommt eine zweite Welle?
  • Wie setzen wir Abstandsgebot und Zusammenarbeit im Team um?
  • Und … warum verdammt noch mal… konnte das Alles nicht 1 Million Jahre später kommen?

Wir hatten doch alle etwas Anderes vor … doch dann kam Corona.

Es ist fast wie in dem Film: „Und dann kam Polly“ (2004).

Der Risikomanager einer großen Versicherung (Ben Affleck), der alles über Risikovermeidung in allen Lebenslagen weiß… verliebt sich nach herber Enttäuschung in Polly – gespielt von Jennifer Aniston – und das nächste Chaos ist vorprogrammiert.

Im Unterschied zur dieser (Hollywood)Komödie haben wir es bei Corona mit einer Tragödie zu tun. Wir meinten so ziemlich alles im Griff zu haben – ok, bis auf das Klima und die Ungerechtigkeiten in der Welt. Doch ging es bei uns mehr oder weniger immer nach dem Motto: Höher – Schneller – Weiter… Wir waren routiniert im Umgang mit dem was nicht funktioniert in unserem Leben. Und dann kam Corona.

Aktuell kommen überschwemmen uns Angebote und Hinweise, die ganze Situation doch positiv zu sehen. Der Hammer war für mich der Slogan eines Coaches: „Mach 2020 zum besten Jahr deines Lebens“. Okay, dachte ich bei mir… geht’s auch eine Nummer kleiner? Es würde mir schon reichen, wenn 2020 noch zu einem halbwegs guten Jahr wird.

Die Chancen stehen nicht besonders gut… oder? Ist es so, dass wir nur dran glauben müssen – und dann wird es gut? Entscheidungen helfen.

Krise = Entscheidung

Krise bedeutet: Das was bis jetzt funktioniert hat – funktioniert unter den gegebenen Bedingungen nicht mehr. Es ist etwas zu Ende gegangen. Darum sind alle Hoffnungen illusorisch, es kann irgendwann wieder so werden wie vor der Krise.

Krise bedeutet aber auch: Entscheidung. Nehme ich das, was jetzt nicht mehr geht, als Gelegenheit zu schauen, was denn gehen kann und wie es anders gehen kann? Und ja … es kann positive Aspekte der Krise geben – wenn ich mich entscheide zu fragen:

  • Was habe ich schätzen gelernt – was ich vorher nicht so geschätzt habe…?
  • Was mache ich jetzt nicht mehr? Und was stattdessen mehr?
  • Wovon verabschiede ich mich?
  • Was will ich wirklich?
  • Was entdecke ich und wir evtl. neu? Privat und im Berufsfeld?
  • Wie geht es mir mit dem WIR, in dem ich eingebettet bin? Was bringe ich ein? Was erwarte ich auch?

Fragen für Teams:

  • Wieviel Raum geben wir den unterschiedlichen Erfahrungen der Einzelnen mit der Krise?
  • Wieviel Rücksicht nehmen wir auf Risikogruppen bei uns? Wie beziehen wir sie ein?
  • Was muss auf den Prüfstand?
  • Wie gehen wir im Team dann mit den Ergebnissen um?
  • Wie können wir uns dabei gegenseitig unterstützen?

Das sind Themen für Dialoge in Teams, Gremien und Projektgruppen. Es ist wichtig, dafür Raum zu geben, anstatt allzu flott wieder in eine „Zeit davor“ zurückzuwollen.

Der Albtraum? Das Abenteuer?

Der Wunsch nach Sicherheit ist eine menschliches Grundbedürfnis. Jeder von uns möchte Schutz und einen sicheren Rahmen. Das ist auch eine Grundlage für gute Leistungen im Job.

Unsicherheit löst bei den meisten Menschen Stress aus. Stress führt zur Aktivierung von instinktiven Reaktionen aus dem Stammhirn. Der Neokortex – unser analytisches Gehirn ist dann abgedimmt und das Angsthirn übernimmt die Regie. Das führt oft u.a. zu:

  • Denkstörungen
  • Handlungsstörungen, Hilflosigkeit
  • Tunnelblick, Verlust von Empathiefähigkeit, jeder sieht erstmal nur sich
  • … Flucht, Kampf, Einfrieren.

Einiges von diesen typischen Stressreaktionen können wir z.B. in den aktuellen Kommunikationen zu den Folgen der Eindämmung von Corona im Netz sehen. Da ist viel Angriff, Abwertung, und Verteidigung, z.B. „Prof. Drosten hat Recht, er ist ein Held … alles andere sind Ignoranten“. Andere machen die hohen Kosten der eingeleiteten Maßnahmen geltend und Fragen nach der Verhältnismäßigkeit. Oder die Debatte um Einschränkungen von Freiheitsrechten und dem Funktionieren des Rechtsstaates – bei all diesen Themen gab und gibt es in der Krise Einladungen, auf den eigenen Stress mit archaischen Verhaltensweisen zu reagieren. Wer die eigene Einschätzung nicht teilt wird schon mal bekämpft.

Wie können Teams Unterschiede ins Gespräch bringen?

Für eine gute Zusammenarbeit im Team und zur Vorbeugung von unproduktivem Streit ist es wichtig, einen Erlaubnis – Raum zu schaffen in dem unterschiedliche Einschätzungen und Sichtweisen angesprochen werden dürfen.

Eine Möglichkeit, solche unterschiedlichen Sichtweisen in Bezug auf „Wie tickt jedeR bei Krise und Unsicherheit?“ ansprechen zu können, ohne das gleich stressende Reiz – Reaktionsmuster ausgelöst werden, ist es, ein Modell zu skizzieren und gemeinsam die einzelnen Teammitglieder einzuladen, sich in dem Modell zu positionieren.

Beim Erkunden des Umgangs mit Unsicherheit und Unterschieden dazu in einem Team – habe ich gute Erfahrungen anhand einer einfachen Kreuzmatrix gemacht:

Die Leitfrage dazu

In einer unsicheren Situation (wie … jetzt) …in welchem Quadranten würdest du dich sehen?

Die vertikale Achse

Gehst du bei Unsicherheit eher rational – analytisch

  • Zahlen, Daten, Fakten beschaffen
  • Hintergründe recherchieren
  • oder eher emotional vor?

Spontan Gefühle wie Angst, Trauer, Wut , … zulassen und zeigen

Und auf der horizontalen Achse

Siehst du die unsichere Situation eher pessimistisch – oder eher optimistisch? Und wie ausgeprägt – sehr pessimistisch oder nur etwas … usw.

Ergebnis in einem Team

Jede*R kann dann etwas zu seiner / ihrer Positionierung sagen:

  • Was spielt da für mich eine Rolle?
  • Was hilft mir, was hilft mir nicht?

Dann kann wird erkundet:

  • Was ist überraschend?
  • Was braucht jede*R?
  • Erwartungen in Bezug auf die nächsten Schritte

Das führt zu mehr Verständnis und Verstehen beruhigt. Den Abschluss hat eine Sammlung von stärkenden Faktoren gebildet.

Was hat mir bisher in Zeiten von Krise und Unsicherheit geholfen?

  • Familie, Freunde
  • Hoffnung
  • Es geht weiter!
  • Nicht in Panik verfallen!
  • Ich werde nicht untergehen!
  • Experten aufsuchen.
  • Mich auf mich besinnen.

Was hat uns im Team geholfen?

  • Uns Raum geben.
  • Jeden akzeptieren
  • Unterschiede sehen und schätzen.
  • Ich stehe nicht alleine da, du stehst nicht alleine da.

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